Mittwoch, 26. November 2008

Dokumentiert: Stillförderung – Stiefkind der Gesundheitspolitik

Deutscher Hebammenverband e.V.
Stillförderung – Stiefkind der Gesundheitspolitik

Der Deutsche Hebammenverband e.V. kritisiert die Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum „Stand der Förderung des Stillens von Säuglingen und Kleinkindern“ (die ausführliche Anfrage kann in der Redaktion angefordert werden).

Obwohl die zitierten Erhebungen zum Stillen (SuSe und KIGGS) „die Notwendigkeit einer weiteren nachhaltigen Stillförderung und Unterstützung bei sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen, sowie die Förderung eines stillfreundlichen Klimas in der Gesellschaft unterstreichen“ (KIGGS), sieht die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf.

Dem widerspricht der Deutsche Hebammenverband e.V. energisch. Es klinge zwar großartig, dass sich die Zahlen zum ausschließlichen Stillen nach sechs Monaten verdoppelt haben, aber wenn man genau hinschaue, werde deutlich, dass nur 16,7 Prozent (Berlin), bzw. 21,4 Prozent (Bayern) der Kinder nach sechs Monaten noch ausschließlich gestillt werden. Das zeigt deutlich, dass in Deutschland nicht genug zur Stillförderung geschieht.

Im Jahr 2007 wurden in Deutschland 685.000 Kinder geboren. Insofern erscheinen die Zahlen über die Verbreitung der Informationsmaterialien der Nationalen Stillkommission sowie der Internetaufrufe verschwindend gering. Da diese Broschüren außerdem nicht geeignet sind, sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen anzusprechen, stellt sich die Frage, wie die Nationale Stillkommission, als das Instrument der Bundesregierung Stillförderung in Deutschland zu implementieren, Mittel und Einfluss erhalten kann, um seiner Aufgabe angemessen gerecht zu werden und nicht als Alibi herhalten zu müssen. Außerdem konnte der Antwort nicht entnommen werden, welche Maßnahmen ergriffen wurden, um speziell für sozial benachteiligte Schichten aufsuchende und niedrigschwellige Beratungsangebote zum Stillen zu schaffen.

In der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage heißt es ebenso, dass die Initiative Babyfreundliches Krankenhaus begrüßenswert sei, dass aber jedes Krankenhaus den in deutschen Kliniken vorgeschriebenen Qualitätssicherungssystemen unterliege.

Diese Qualitätssicherungssysteme beinhalten leider keine stillfördernden Kriterien und tragen in keiner Weise dazu bei, die von der WHO und den internationalen Stillverbänden empfohlenen, evidenzbasierten Erkenntnisse zur Stillförderung flächendeckend umzusetzen. Deshalb bleibt die Frage offen, wie die Bundesregierung die im Blueprint for Action geforderten Maßnahmen zur Stillförderung so umsetzt, dass alle Frauen in Deutschland in die Lage versetzt werden, ihre Kinder zu stillen und alle in Deutschland geborenen Kinder die Chance haben, ihr Recht auf optimale und altersgerecht Ernährung zu erhalten.

Der Deutsche Hebammenverband e.V. betont:

* Jede Frau hat Anspruch auf Stillberatung und Stillunterstützung, sofort, kompetent und auf dem neuesten Stand evidenzbasierter Erkenntnisse.

* Jedes Kind hat ein Recht auf Muttermilch als die einzige artgerechte und optimal individuell zugeschnittene Ernährung, als Prophylaxe und Grundlage von lebenslanger Gesundheit.

* Stillunterstützung ist ein aktiver Beitrag zur langfristigen Gesunderhaltung der Bevölkerung. Besonders sozial benachteiligte Schichten brauchen Stillförderung, damit die Gleichung „Armut macht dumm“ nicht aufgeht.

Deshalb fordert der Deutsche Hebammenverband e.V. eine konzertierte Aktion aller beteiligten gesellschaftlichen Gremien und einen engagierten Einsatz der Regierung für Stillförderung in Deutschland:Es bedarf Förderprogramme zur Fort- und Weiterbildung für alle medizinischen Fachberufe, die mit Stillen in Berührung kommen, denn es muss sichergestellt sein, dass Frauen zeitnah aktuelle, wissenschaftlich fundierte Stillberatung bekommen. Eine Flächendeckende Finanzierung von Frauenmilchbanken muss erfolgen, denn auch und gerade Babys in besonderen Situationen, wie Krankheit und Frühgeburtlichkeit brauchen Muttermilch. Ein Gesetz zum Schutz des Stillens in der Öffentlichkeit muss geschaffen werden, denn so wird ein Zeichen gesetzt für die positive Haltung unserer Gesellschaft zum Stillen. Die Nationale Stillkommission benötigt eine angemessene finanzielle Ausstattung, denn nur so kann sie wirklich wirksam werden.
Lisa Fehrenbach, Pressemeldung 10.11.2008

via http://www.deutschehebammenzeitschrift.de

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